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Neuer Streit um die Rechtschreibreform

 
12. Mai 2009
Neuer Streit um die Rechtschreibreform
Kategorie: Schriftkultur

Jetzt und künftig:
5-Jahres-Pläne für die Rechtschreibung?

Als schon bald nach der Einführung der sogenannten Reformschreibung sichtbar wurde, daß die tatsächlichen Ergebnisse den erwarteten in keiner Weise entsprachen, sahen sich die Verantwortlichen zum Handeln gezwungen. Um den Unwillen in der Bevölkerung zu glätten (mehrere Umfragen zeigten einhellige Ablehnung der Reformschreibung), installierte die Politik im Jahr 2004 den »Rat für deutsche Rechtschreibung«.

Das Gremium befaßt sich mit zwei Hauptaufgabenbereichen:

 •

 

die ständige Beobachtung der Schreibenwicklung in der Bevölkerung

 •

 

Erarbeitung wissenschaftlich begründeter Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache

Die erste Amtszeit des Rechtschreibrates endet 2010. Zur Verbesserung und Konsolidierung der Rechtschreibung winkt uns ein 5-Jahresplan — es ist dies unseres Wissens der erste Versuch, die Sprache des Volkes turnusmäßig nach zentralplanwirtschaftlichen Prinzipien zu lenken. Wem drängt sich da nicht die Erinnerung auf an die 5-Jahrespläne der kommunistischen Kollektivwirtschaft! Und was kam dabei heraus? Mit einigem Humor könnte man die skurrilen Ergebnisse der Orthographie-Planwirtschaft als Beitrag zur Erheiterung eines oft nicht vergnüglichen Alltags sehen. Doch leider ist die Sprache eines Volkes nun einmal nichts Marginales. Und unsere Schriftsprache bildet den Sockel der Kultur. Wird dieser Sockel ausgehöhlt, hat dies Folgen — auch wenn diese sich eventuell erst in Jahrzehnten zeigen werden.

Peter Eisenberg, skeptisches Mitglied im Rechtschreibrat, meldet sich nun wieder in der Öffentlichkeit zu Wort. Sein Beitrag in der F.A.Z. ( Lehrer, euch gehört die Sprache nicht! )
hat einige Wellen geschlagen, woraus man sehen kann, daß das Thema längst nicht ad acta gelegt ist. Seit vielen Monaten ist die Peinlichkeit in einen Designermantel des Schweigens aus dem Hause Presse&Medien gehüllt. Eine gedeckelte Ruhe. Darunter aber brodelt es.

Auf den Beitrag von Peter Eisenberg antwortete Hans Krieger, welcher bis 1998 Kulturredakteur der Bayerischen Staatszeitung gewesen war, mit einem Leserbrief, aus dem wir einige Passagen zitieren wollen.

Die Sprache gehört niemandem
von Hans Krieger

Es ist Peter Eisenbergs großes Verdienst, den Streit um die Rechtschreibung, den er für beendet erklärt, neu eröffnet zu haben (»Lehrer, euch gehört die Sprache nicht!«, F.A.Z. vom 17. April). Denn die Folgeschäden der Reform sind täglich zu beobachten. Der gegenwärtige Schreibusus ist geprägt von allgemeiner Desorientierung, und selbst der partielle Rückbau der Reform, vor allem in der Getrennt- oder Zusammenschreibung, scheint mehr von Zufall und Beliebigkeit bestimmt zu sein als von einer Wiedergewinnung des Sprachverständnisses. Unsicherheit erzeugt Gleichgültigkeit — Anm. Stolz

Das Problem hat Eisenberg mit wünschenswerter Schärfe formuliert: »Die Orthographie ist weder dazu gemacht, dass man mit ihr erfolgreich Wörterbuchverlage betreibt, noch dazu, in den Schulen gelehrt zu werden. Sie ist, wie sie ist ... Jede noch so gutwillige, gutgemeinte Manipulation am Gegenstand hat zu unterbleiben.«
Es sei deshalb beim besten Willen nicht durchführbar, Sprache von außen regeln, verändern, verbessern zu wollen, dies liege in der Natur ihrer Sache. Die Beobachtung der aktuellen Schreibenwicklung könne nicht stattfinden, denn es finde gar kein ungestörter »Wandel der Sprache« statt — erfaßt werde lediglich ein künstlich gestörter Schreibgebrauch.

Aus den Chaosfrüchten der Deregulierung lassen sich Hinweise für ein angepasstes Regelwerk so wenig gewinnen, wie die marode Finanzwirtschaft aus ihrem unsoliden Derivatenhandel das Heilmittel der Gesundung schöpfen kann.
... Erst wenn ein konsistentes Regelwerk den Usus neu konsolidiert hat, kann das »Übliche« wieder zum Kriterium des »Richtigen« werden. Ausgangspunkt für die Wiedergewinnung vernünftiger Rechtschreibregeln kann also nicht die Reformschreibung sein, deren logische Dürftigkeit an den hilflosen Selbstkorrekturen von Duden-Auflage zu Duden-Auflage abzulesen ist (mit der besonderen Pikanterie, dass die jüngste Duden-Auflage die vom Rat für deutsche Rechtschreibung erarbeitete »Reform der Reform« gezielt sabotiert). Leider kann auch der Kompromissvorschlag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung nicht Richtschnur sein, weil er zu viele grammatikwidrige Schreibungen akzeptiert. Wir müssen dort wieder anknüpfen, wo wir noch verlässliche, durchschaubare und sprachadäquate Regeln hatten. Das ist die Rechtschreibung, die zuletzt der Duden von 1991 dokumentiert hat. Wie schon an anderer Stelle bemerkt: der Teufel muß zum selben Loch wieder hinaus, wo er hereingekommen ist. ...

Eisenberg spricht von der Verantwortung des Staates. Mit dem Eingriff in die Sprachentwicklung hat der Staat sich eine Kompetenz angemaßt, die ihm nicht zukommt; er ist nun verantwortlich für die Behebung des Schadens, den er damit angerichtet hat. Die Sprache gehört nicht den Lehrern, gewiss. Sie gehört niemandem. Am ehesten noch gehört sie jenen, die den diszipliniertesten und verantwortungsvollsten Gebrauch von ihr machen.

HANS KRIEGER, MÜNCHEN

 

 

Wie gefällt uns diese Vision:
alle fünf Jahre kaufen wir uns den neuen 5-Jahresplan-Duden, um die ständigen Änderungen der planwirtschaftlich arbeitenden Rechtschreibbehörde beim Schreiben berücksichtigen zu können. Mit jeweiligem Erscheinen der neuen Regeln werden die alten ungültig. Verbindlich sind sie in Schulen und Amstsstuben. Der Traum vom lebenslangen Rechtschreibenlernen ist Wirklichkeit geworden! WOW!

 

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