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Vom Zuhören

 
12. Juni 2012
Vom Zuhören
Kategorie: Anekdoten

Hintergrundgeräusch Lehrer

1983


Lehrer: »Ihr schreibt jetzt die Seiten 14 und 15 ab. Seite 16 nicht mehr!«
Schüler: »(fällt dem Lehrer ins letzte Wort) Was sollen wir schreiben? Seite 16?«


Beim Diktat werden die Satzzeichen mitdiktiert.
Am Ende eines Fragesatzes sagt der Lehrer: »Fragezeichen.«
Zeigt ein Schüler auf: »Fragezeichen? Was ist das? Wie geht das?«


Englisch-Test in der 7G
Das Arbeitsblatt enthält detaillierte Anweisungen dessen, was zu tun ist.
Unter Punkt 4 steht wörtlich:
»Schreibe die Antworten in dein Heft!«
Frank, 13 Jahre alt, zeigt auf und fragt: »Wie meinen Sie das bei Punkt vier? Sollen wir die Antworten schreiben?«
»Ja«
»Wohin denn?«
»Ins Heft.«


Schriftliches Arbeiten in der 8G
Eine schriftliche Aufgabe wird erledigt — dies ist Routine, und das Vorgehen des Lehrers ist seit Monaten dasselbe: Wer fertig ist, darf sich still beschäftigen — womit auch immer. Aber still und auf dem Platz. Wie schon gesagt, Routine seit einem Dreivierteljahr.
Frage eines Schülers: »Was machen wir, wenn wir fertig sind?«
Jede Stunde. Garantiert.


Englischstunde in der 8G
Nach der Lektüre eines Briefes schreibt der Lehrer groß die Arbeitsanweisung an die Tafel: »Aufgabe für jetzt: schriftliche Übersetzung des Briefes«
Da kommen schon die Schülerfragen:
»Müssen wir den Brief abschreiben?«
»Müssen wir den Brief jetzt übersetzen?«
»Was müssen wir tun?«
Erik packt seine Sachen ein. Lehrer sagt: »Was machst du da, Erik?«
Erik sagt: »Ich mach die Hausaufgaben lieber zu Hause.«


Manchmal wird es einem zuviel. Wenn eine Aufgabe erklärt wird, sind sie demonstrativ unaufmerksam. Anschließend fragen sie ohne Scheu, ja sogar mit einer gewissen Anmaßung in der Stimme, man wisse nicht, was nun zu tun sei, so gehe es doch nicht.
Wehe, der Lehrer explodiert! Doof ist der! Ungerecht. Blödmann.
Wehe, der Lehrer schweigt! Nicht mal 'ne Antwort gibt der! Hofzwerg.
Was bleibt dem armen Hanswurst am Pult? Er werde eine Maschine mit einem Knacks; er tue und sage immer wieder dasselbe, möglichst gleichgültig und monoton.


Manchmal aber fällt einem Lehrer in diesem Meer des Nihilismus eine sarkastische Bemerkung ein, die auf tiefe Resignation bei gleichzeitigem Willen zum Überleben schließen läßt. Das Ausspucken im Schulhaus und vor dem Schulgebäude ist verboten. Man redet sich die Zunge zu Fransen, aber die Jungs spucken und glotzen einen an, als ob sie das zum erstenmal in ihrem Leben hören.
Nach dem Unterricht sieht Kollege S. auf dem Busplatz nach dem Rechten. Ein Schüler der sechsten Klasse spuckt aus der offenen Bustür heraus auf den Gehsteig. Der Lehrer sagt ungerührt: »Wenn du das noch mal machst, dann spiel ich mit dir Aufnehmer!«

Karin Pfeiffer

 


 

 



Kommentare zu diesem Beitrag:
von Melanie H. (12. Juni 2012, 22:25):
Oh ja, das kommt mir bekannt vor, dieses ewige Nachfragen, weil es anscheinend zu mühselig ist, aufmerksam zuzuhören oder etwas durchzulesen.
Ich fühle mich dann jedesmal klein und dämlich, einfach nicht ernst genommen. Das kratzt auf Dauer ganz schön am beruflichen Selbstwertgefühl.
 
von Annette K. (14. Juni 2012, 09:53):
Das Problem ist ganz einfach zu erklären: In einer Gruppe von Menschen können niemals alle gleichzeitig geistig präsent sein. Die Schulklasse ist kein homogenes Lebewesen, dem man etwas erklären kann. Sie besteht aus einzelnen Personen, die nicht wie ein einzelkner Körper reagieren, sondern eben unterschiedlich. Jeder Lehrer macht die Erfahrung, jeder Vortragende ebenfalls. Immer befindet sich unter einer Gruppe jemand, der etwas nicht gehört, falsch verstanden oder nicht richtig interpretiert hat.
Das ist nun wirklich nichts Neues.
Trotzdem hat man als Lehrer immer das Gefühl, dass alle es gehört haben müssen, wenn man etwas verkündet. Man spricht doch zur Klasse! Und sie hören doch zu, meistens jedenfalls. Also wird man böse, wenn immer wieder dieselben Fragen kommen, auch das ist verständlich.
Die Probleme sind besonders groß, wenn der Lehrer keine eigene Klasse hat und nur stundenweise mit verschiedenen Gruppen zu tun hat. Ein Klassenlehrer, der viele Stunden mit seiner Gruppe verbringt, hat wahrscheinlich weniger Probleme, weil Rituale und Gewohnheiten eine große Rolle spielen.

Grundsätzlich aber ist der Kampf ums Verstandenwerden auslaugend. Es gibt auch kein Allheilmittel. Es gibt nur Linderung der Schmerzen durch geschickte Methodik und Aufbau der Lehrerautorität. Oder man macht es sich leicht und lässst den Laden einfach laufen ...
Ärgern sollte man sich jedenfalls nicht, denn das Phänomen ist gruppenpsychologisch begründet.
 
von Bettina (14. Juni 2012, 11:59):
Sicher ist das Phänomen ein Stück weit gruppenpsychologisch begründet, aber bestimmt auch hausgemacht.
Was nützten Ermahnungen wie "Pass besser auf!" oder "Hör besser zu!" wenn keine unliebsamen Folgen drohen. Nach der Ermahnung wird dann doch immer wieder Auskunft gewährt. Das ist in der Schule nicht anders als zu Hause.
Mit unliebsamen Folgen meine ich eine Nicht-Beantwortung der Fragen in hartnäckigen Fällen. Sollen die Kinder doch sehen, wie sie dann klarkommen mit dem unangenehmen Gefühl, nicht zu wissen, was Sache ist.
 
von Lehrer (14. Juni 2012, 21:56):
Die Bereitschaft, immer wieder unnötige Fragen zu beantworten, unterstützt die Neigung, sie aus Faulheit beim Zuhören oder Lesen immer wieder zu stellen. Eins bedingt das andere.
Da mag ein Lehrer so viel kritisieren und genervt stöhnen, wie er will, entscheidend ist das immer wieder Beugen unter die Appelle der Schüler.
Sich auf diesen "Lehrergehorsam" nicht mehr verlassen zu können, ist ein gutes Mittel für ein besseres Zuhören und Durchlesen. Unnötige Hilfe verweigern! lautet die Devise nicht nur in diesem Fall.
 
von Marion G. (18. Juni 2012, 22:53):
Ich denke auch, dass Nachgiegigkeit unerwünschte Unsitten unterstützt. Pro forma meckern Lehrer oft, sind dann aber nicht konsequent und befolgen doch immer wieder das, was die Schüler wollen. Alle Erzieher müssten weniger genervt und souveräner reagieren. Wer immer wieder ohne Not nachfragt, kriegt keine Auskunft mehr. Punkt aus!
Ansonsten machen sich Lehrer immer mehr zu Deppen.
 
von Kritiker (28. Juni 2012, 12:42):
Mich würde interessieren, ob der Lehrer am Bus dieses "Spiel" androht und im Wiederholungsfall auch umsetzt. Angedroht wird Kindern meiner Beobachtung nach nicht weniger als früher. Umgesetzt aber wird kaum mehr etwas. Was soll dann das Ganze?
 

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