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Buch versus Computer

 
15. Januar 2013
Buch versus Computer
Kategorie: Besser lernen
   
 Erleben wir den Niedergang der Sprachkultur?
von Karin Pfeiffer

 
 

Buchvorstellung

Barry Sanders. Der Verlust der Sprachkultur. S. Fischer Verlag 1995


Einige Zitate aus dem Buch:

„ ... die Zuhilfenahme von mehr Computerleistung wird das Problem [der zunehmenden Analphabetisierung] nur verschärfen. Indem man die Schüler an den Bildschirm fesselt, ... zerstört man ihre Anlagen für das Lesen und Schreiben. ... Im Ergebnis bringt der Computer sie dem Analphabetismus immer näher. Er zerrüttet das Verhältnis zu den Mitmenschen und verstärkt den Effekt der zerrütteten Familienverhältnisse, die zu Hause erlebt werden. Der Gesellschaftsvertrag wurde nicht an einem Textverarbeitungscomputer verfaßt. Er läßt sich auch nicht an einem Textverarbeitungscomputer wieder herstellen.“ (S. 170)

„Analphabetismus ist der gefährliche Fallout, der bei der Kungelei zwischen Pädagogik und Technik entsteht.“ (S. 172)

„Wie alle Werkzeuge besitzt auch der Computer die Kraft, die individuelle Wahrnehmung so zurechtzubiegen, daß sie sich seiner Arbeitsweise anpaßt. Alle Werkzeuge, die Uhr nicht minder als das Buch, wirken als Metaphern, die das Seelenleben prägen. Jahrtausendelang war der innere Antrieb von Kultur das Alphabet. Derzeit wird es als solches von seinem Platz verdrängt.“
(S. 172 f)
[Anmerkung K. P.: Nicht das Werkzeug paßt sich dem Menschen an, sondern umgekehrt — der Mensch paßt sich dem Werkzeug an — „Werkzeuge“ im weitesten Sinne sind Messer, Betten, Schuhe, Kleidungsstücke, Fahrzeuge, Bücher, Maschinen, Einrichtungsgegenstände, Häuser, Straßen, — kurz, alle einfachen und komplexen Artefakte.]

„Mit einem Vergleich aus dem Bereich der Medizin könnte man über den pervertierten Zustand des heutigen Erziehungswesens sagen, daß hier Ärzte ihren Patienten Gift verabreichen. Lehrer versuchen mit Hilfe von Computern und Textverarbeitungsprogrammen ihre Schüler aus dem Klauen des Analphabetismus zu retten. Aber ihre Patienten werden dabei immer kränker. Fast siebzig Millionen Amerikaner sind nicht in der Lage, die aufgedruckte Warnung auf dem Etikett einer Arzneiflasche zu entziffern oder durch einen Zeitungsartikel hindurchzufinden. Die Mehrheit davon sind nicht Schwarze oder Mexikaner oder Zugewanderte: Es sind im Lande geborene Weiße. In der Schule werden Kinder zwar in immer früherem Alter im Lesen unterrichtet, aber spätestens in der vierten Klasse beginnen die Leistungen auf diesem Gebiet bei den meisten nachzulassen. Der Notendurchschnitt bei Lesetests ist im Lauf des vergangenen Jahrzehnts von Jahr zu Jahr gesunken.“ [Hervorhebung von K.P.] (S. 173)

[Heimtückisch ist der Computer, weil er den Benutzer unbemerkt, quasi nebenbei, zur „habituellen Faulheit“ verführt: die Vorstellung, eine Aufgabe schneller, besser und müheloser erledigen zu können, beseelt jeden Computerbenutzer. Ein folgenschwerer Irrtum. Denn Lernen braucht Zeit und ist ohne innere Beteiligung des Lernenden nicht möglich. Dabei können Computer nur stören. Nach wie vor ist das Buch die Quelle, aus der man das meiste Lernen kann.]
„Dem Buch wohnt Autorität inne. Aber die ist — eben Autorität, nicht technologische Despotie. Beim Lesen eines Buches können wir uns den Autor vorstellen: ein menschliches Wesen aus Fleisch und Blut, mit einem Gesicht und einer Geschichte.“ (S. 194)
[Das Buch ist im Raum körperlich vorhanden. Ich spüre seine Existenz, auch wenn ich ihm den Rücken zuwende. Auch der Computer ist im Raum, und ich spüre den Kasten — aber es ist eben ein technisches Gerät, und wenn kein Strom fließt, sind keine Buchstaben darin, sondern nur Metallplatten, Platinen, Drähte, Schaltungen und so fort.]

[Doch das Buch hat keine Lobby mehr. Es ist zu wenig daran zu verdienen. Ein Buch ist nicht SPEKTAKULÄR. Im Vergleich zu den blinkenden „interkommunikativen“ Medien erscheint es nachgerade die Verkörperung der Ödnis und Langeweile. Dagegen die blinkenden, lockenden Maschinen!]
„Die Elektronikindustrie pumpt Millionensummen in die Marktforschung und in Verkaufsstrategien. Derart geballter Finanzkraft haben Bücher nichts entgegenzusetzen. Selbst in den Unterstufen-Schulen mit ihren radikal modernen Unterrichtsmethoden für Lesen und Schreiben verblaßt die Lese- und Schreibkenntnis neben dem Fernsehbildschirm, der Filmleinwand, dem Videobildschirm. ... Lese- und Schreibkenntnis ist nicht mit dem Computer zu vermitteln - nicht mit der Maschine, die die Schüler ihrer Fähigkeit beraubt, sich einen Begriff von Sprache zu bilden.“ (S. 195 f)
[Ein Kind, das am Computer „schreiben lernt“, simuliert das Schreiben, und im ersten Moment sieht es für den Betrachter so aus, als ob das Kind tatsächlich schreiben gelernt hätte. Wir dürfen nicht den augenblicklichen Erfolg zur Grundlage unserer Bewertung machen. Erst wenn wir längere Zeiträume — das heißt Jahre! — überblicken, kommen wir zu einem endgültigen Resümee.]

Wir hören es ungern, und mancher wird böse, wenn ihm das folgende gesagt wird. Dennoch: der Computer dient in erster Linie — als Spielzeug zum Zeitvertreib! „Tatsächlich hat sich bei einschlägigen Untersuchungen herausgestellt, daß die Mehrzahl der PC-Benutzer den Rechner weniger zur Abfassung von Texten als zum Spielen benutzt.“ (S. 197)
[Jeder, der am Computer arbeiten will, wird bestätigen können, welche Versuchungspotenz in Internet liegt mit seinen vielfältigen Verlockungen aller Art ... Wenn wir Erwachsene dieser Versuchung schon schwer widerstehen können, wie schwer muß es erst dem Kind fallen?]

Barry Sanders beklagt den Verlust der Oralität: es wird zu wenig miteinander gesprochen. Innerhalb der Familien, unterwegs und in geschäftlichen Belangen — überall drängt sich die Technik zwischen die Menschen, aus dem Gespräch wird „Kommunikation“. Kommunikation ist etwas anderes als Sprache. Sprache ist Leben, Kommunikation ist Technik. Sprache verbindet Wesen und Herzen der Menschen, Kommunikation dient der Vermittlung von Information und Befehl. Sprache ist das Verständigungsmittel der Liebe, Kommunikation das der Politik. Blutleere Buchstaben vor flimmernden Bildschirmen sind das Ende der Sprache, wie wir sie kennen, und wie sie die westliche Welt durch das Alphabet prägte.

Das Buch: Ein MUST READ für alle interessierten Pädagogen und Eltern!

Hier noch einmal die Daten:

 
 


Barry Sanders. Der Verlust der Sprachkultur. S. Fischer Verlag 1995
Das Buch ist antiquarisch zu beziehen, siehe zum Beispiel hier>>>>>> :

 
   


Kommentare zu diesem Beitrag:
von Mutter (16. Januar 2013, 23:06):
Wie, liebe Frau Pfeiffer, kriegen Sie immer das Kunststück fertig, das zu sagen, was auch ich denke? Allerdings könnte ich das nie so gut ausdrücken wie Sie.
Jedenfalls danke ich Ihnen für Ihre wertvollen Tagebucheinträge, die ich seit Jahren verfolge, mich heute aber zum ersten Mal traue zu kommentieren. Andere können das sehr viel besser als ich.
Heute haben Sie einen Nerv bei mir getroffen, weil ich meine Kinder wider besserem Wissen viel zu lange und viel zu unkontrolliert vor dem Bildschirm sitzen lasse. Das ist mir mal wieder bewusst geworden, obwohl dies nicht das Anliegen Ihres heutigen Tagebucheintrags ist.

 

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