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Beschleunigung schadet

 
08. Juli 2014
Beschleunigung schadet
Kategorie: Besser lernen

 

Beschleunigung der Lernprozesse schadet

Moshe Feldenkrais (1904 – 1984) ist sicher den meisten von Ihnen bekannt, die Therapieform „Feldenkrais-Methode“ geht auf diesen Wissenschaftler zurück. Er probagierte einen neuen Ansatz, das menschliche Gehirn anzuregen und weiterzuentwickeln, und zwar durch geradezu lächerlich-einfache Bodenübungen. Doch seine Methode war und ist erfolgreich: die  Veränderung der menschlichen Motorik beeinflusst das Gehirn, es kann bei gewissen Krankheiten Genesung bewirken. Umgekehrt können schädliche – vor allem verfrühte – Bewegungsmuster beim Kind Lernblockaden bewirken, die sich verfestigen und fatale Auswirkungen auf den Lebenslauf des Kindes haben. Die heute übliche Verfrühungspädagogik – alles soll immer schneller und immer früher gelernt werden – ist absolut schädlich!

Beispiele:

Bei Kindern ist oft zu beobachten, dass bereits Gelerntes anscheinend von einem Tag auf den anderen vergessen ist. Ein Kind kann zum Beispiel laufen und verlernt es wieder. Ein Kind spricht und verstummt plötzlich. Ein Kind schreibt schon recht gut und kann es plötzlich nicht mehr. Solche Vorfälle, sagt Feldenkrais, würden häufig durch die erziehenden Erwachsenen ausgelöst. Diese meinten es zwar immer gut, aber indem sie die Kinder zu einem beschleunigten Lernvorgang ermutigten, würden sie den natürlichen Lernprozess stören und unterbrechen, wodurch das Kind einen Rückfall in ein früheres Stadium erleide. „Der Versuch, etwas zu tun, obwohl der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist, birgt Gefahren in sich“, schreibt Feldenkrais. Das Kind müsse sich unnötig stark anstrengen und verlöre dadurch das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Wer ängstlich und unsicher ist, kann nicht lernen und zieht sich auf „sicheres Terrain“ zurück: also frühere, infantile Verhaltensmuster.

Kinder werden oft viel zu früh angehalten, auf eigenen Beinchen zu stehen oder gewisse Tätigkeiten (wie Balancieren, Radfahren etc.) auszuüben. Falls die körperliche Entwicklung dafür jedoch noch keine Voraussetzungen bietet, hat die Verfrühung des Lernens fatale Folgen.

Kinder würden auch viel zu früh angehalten, in der Schule lange stillzusitzen und sich auf Tafel, Schulbuch oder Computer zu konzentrieren. Dafür sind, laut Feldenkrais, die neuromuskulären Mechanismen noch nicht entsprechend entwickelt. Besonders das Starren auf Bildschirme birgt eine entwicklungsphysiologische Gefahr, die in der Pädagogik im Taumel des Technikrausches noch viel zu wenig beachtet wird. Kindern muss die Möglichkeit gegeben werden, die Augen so häufig zu bewegen, wie sie wollen – sie auf Nah- oder Fernobjekte einzustellen. Das zu frühe Fixieren der Bilder auf dem Bildschirm hemme die Entwicklung der Augenmuskulatur. Man dürfe nicht vergessen, schreibt Feldenkrais, dass die Pyramidenbahn, über die Impulse zu den willkürlichen Muskeln laufen, bei Kindern noch nicht voll entwickelt ist. Die Bildung der Markscheiden dieser Nerven erstrecke sich bis ins 20. Lebensjahr und darüber hinaus!

Die Organisation der modernen Gesellschaft setzt diesen Erkenntnissen große Hindernisse entgegen. Dennoch können Eltern und Lehrer, die sich des Sachverhalts bewusst sind, entschleunigend eingreifen. Man lasse den Kindern mehr „Eigenzeit“, die sie nicht an Bildschirmen aller Art verbringen sollen. Zeit, in der sie am besten in der Natur sich selbst überlassen bleiben, spielen, entdecken, sich bewegen und dabei sich selbst und das Leben erkunden. Ein völlig verplantes Kinderleben, das Lernen nach Lebens- und Stundenplan, sie können das Gegenteil dessen bewirken, was wohlmeinende Erwachsene damit bezwecken.

Literatur:
Mo
she Feldenkrais; Der Weg zum reifen Selbst; Phänomene menschlichen Verhaltens
Junfermann Verlag, Paderborn 1994

 
 

 

 


Kommentare zu diesem Beitrag:
von Melanie (19. Juli 2014, 11:08):
Die Ansichten von Moshe Feldenkrais sind urgesund, einleuchtend und wertvoll in einer Zeit, die mit Kindern immer abartiger verfährt. Siehe Krippen- und Ganztagsbetreuung des Nachwuchses in institutionellen Einrichtungen (Ghettos)!
Würden doch viele Menschen diese und andere Zeilen im Tagebuch des Stolz Verlags lesen!

 

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