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Heute ist Sonntag

 
17. September 2006
Heute ist Sonntag
Kategorie: Besinnliches

Sonntage haben so etwas Melancholisches an sich. Empfinden Sie das auch so? Das Wochenende ist vorüber, Montag wirft seine Schatten voraus.
Zu meiner Zeit als Lehrerin habe ich die Sonntagnachmittage oft mit schlechtem Gewissen verbracht, denn da war noch was ...
Dieses Was fühlte sich an wie ein Steinchen im Schuh. Je länger man damit herumspaziert, desto größer wird das Ding. Nimmt man sich endlich Zeit, den Schuh auszuziehen und nach dem »Felsbrocken« zu suchen, fällt kaum hörbar ein winziges Objekt heraus. Woran sich die Zehen reiben, hat kaum meßbare Dimensionen. Eigenartig, wie einem so ein Nichts zu schaffen machen kann. Der Seele geht es wie dem Fuß: sie stößt sich an Staubkörnern.

Am letzten Sonntag nahm ich an einem Volkslauf statt. Die Rahmenveranstaltungen finden meist in öffentlichen Schulgebäuden statt, welche die dafür geeigneten Räumlichkeiten bieten: Klassenzimmer für Anmeldung und Computeranschluß, überdachte Gänge für die Cafeteria, Turnhalle mit Umkleideräumen und Duschen. Ich habe im Laufe der Jahre viele Schulbauten in ganz Deutschland und auch im Ausland kennengelernt. Dabei stellte ich nicht ohne Beklemmung fest, daß viele dieser Bauten eine marode Substanz haben und den Liebreiz von Gefängnissen besitzen. Beim jüngsten Lauf — dieser fand in einem kleinen Ort in Österreich statt — war ich überwältigt von der »menschgerechten« Ausstattung des Schulhauses. Ein Ort zum Wohlfühlen: hell, freundlich, mit Herz gebaut statt mit dem Sparbuch in der Hand.

Ein Ort zum Wohlfühlen, das sollte die Schule sein. Wie viele Stunden des Lebens verbringt der Mensch dort! Der staatlichen Schulpflicht gemäß entkommt kaum jemand diesen grauen Gemäuern. An jenem Sonntag nach dem Wettkampf — es war ein Lauf rund um einen See — tat mir der Kopf weh. Mich hatte unterwegs eine Wespe in den Kopf gestochen. Der Schmerz im Kopf lenkte von den Schmerzen in den Beinen ab. Ich war froh, als ich mich unter die warme Dusche stellen konnte, und dort kam mir folgender Gedanke: Wenn ich früher an einer solchen Schule hätte unterrichten dürfen, wäre ich vielleicht sonntags ein bißchen weniger bedrückt gewesen. Ein bißchen weniger melancholisch.
Es muß einmal gesagt werden: die meisten Schulbauten strahlen eine atmosphärische Geringschätzung der Gesellschaft für die eigenen Kinder aus. Und für deren Lehrer.

Eine schöne Umgebung prägt positiv. Man darf sich von Herzen willkommen fühlen. Das macht froh. Frohe Menschen gehen anders miteinander um als unglückliche. Genau hier läge die Chance für ein wenig Freude, die sich sonntags zwischen all den grüblerischen Gedanken einnisten könnte: Ein gemütliches Schulhaus, nette Kollegen, und, das darf man nicht vergessen, friedfertige Schüler. Sage keiner, die Umgebung wirke sich nicht auf das Verhalten aus!!

Das Wochenende neigt sich, der Montag wirft seine Schatten voraus,
aber noch ist Sonntag ...

 Karin Pfeiffer
 




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