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Gesprächskultur

 
10. April 2013
Gesprächskultur
Kategorie: Besser lernen
   
 Vom Sprechen und Zuhören
von Karin Pfeiffer

 
 

„Nichts wird so oft überflüssigerweise geöffnet wie der Mund“, sagt ein Sprichwort. Wo allzuviel geredet wird, hört niemand mehr zu. Gelegent­liches Schweigen erst gibt den Worten einen Sinn. Ein Mensch, der gut zuhören kann, wird allgemein geschätzt. Wer zuhört, ist dem Sprechenden zugewandt, schaut ihn an und nimmt am Gesagten Anteil. Aktives Zuhören erfordert Selbstdisziplin, spontane Bedürfnisse sollen zurückgestellt, Anzeichen von Ungeduld vermieden werden. Das gute Gespräch ist ausgewogen – im Wechsel wird gesprochen und zugehört.
Heute werden viele Gespräche per Mobiltelefon geführt. Wie sich dies langfristig auf die Gesprächskultur auswirkt, wird sich erst noch zeigen müssen. Die Möglichkeit, jederzeit und überall mit einem anderen
Menschen in Sprachkontakt zu treten, wird maßlos genutzt. Die Banalität der meisten Gespräche offenbart sich, wenn man fremden Leuten beim Telefonieren zuhören muss. Bloßes Sichmitteilen scheint wichtiger als die Botschaft. Das Telefonieren besitzt Suchtpotential. Zugleich sinkt die Zuhörbereitschaft.

Bei einem guten Gespräch sind die Partner einander zugewandt und schauen sich an. Die Begegnung von Angesicht zu Angesicht ist Voraussetzung für herzliche Kommunikation. Im Gegensatz dazu beobachten wir einen allgemeinen Trend zur visuellen Vereinzelung. Die Gruppensitzordnung in den Schulen behindert den Blickkontakt zwischen Schüler und Lehrer. Bei der Kommunikation über Mobiltelefon sind die Gesprächspartner räumlich voneinander getrennt. Die Smartphones lenken den Blick des Benutzers auf das Display, auch wenn „reale“ Gesellschaft vorhanden ist. Schon zwischen Kleinkind und Mutter wird der Augenkontakt unterbunden, weil durch die modische Bauweise der Kinderwagen das Baby in Fahrtrichtung sitzt oder liegt. Die Mutter schaut auf das aufgespannte Stoffdach statt in das Gesicht ihres Kindes. Wir halten all dies für normal, weil wir uns daran gewöhnt haben.

Wir dürfen nicht vergessen, dass jede noch so vorteilhafte technische Errungenschaft auch Schattenseiten zeigt. In einer Welt, die unentwegt zum Plappern verführt, gerät das Zuhören in Vergessenheit. Wenn aber niemand mehr zuhört, müssen wir eines Tages verstummen. Zuhören bringt die Menschen einander näher. Die Angst vor dem unvermeidlichen Alleinsein wird gemildert. Wer jeden Tag wenigstens einen guten Zuhörer findet, darf sich glücklich schätzen.

 
   
 

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