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Einander zuhören und schweigen

 
30. Dezember 2013
Einander zuhören und schweigen
Kategorie: Erziehung

 

Ein Ritual

»Aus einer buddhistischen Gemeinschaft ist mir folgendes Ritual bekannt, das dort „Neubeginn" genannt wird. Es läßt sich meiner Meinung nach auch in Familien (und Schulen) anwenden. Bei diesem Ritual sitzen die Menschen schweigend im Kreis, in ihrer Mitte steht eine Vase mit frischen Blumen. Die Person, die bereit ist, zu sprechen, legt die Handflächen aneinander und nimmt sich dann die Vase mit den Blumen. Sie beginnt, über die guten Eigenschaften einer anderen oder mehrerer anderer zu sprechen. Diese Phase wird „Blumengießen" genannt, denn solche positiven Sätze lassen uns wachsen wie Blumen, die gewässert werden. Jeder darf so lange sprechen, wie er oder sie möchte, und niemand darf dazwischenreden, den anderen unterbrechen oder das Gesagte kommentieren. Hat der oder diejenige geendigt, wird die Vase zurück in die Mitte gestellt.

In der zweiten Phase spricht jeder über Dinge, Ereignisse oder Worte, die er oder sie selber bedauert oder bereut. Es geht also um Handlungen und Verhaltensweisen, die uns leid tun — gedankenlose Sätze, unüberlegte Handlungen, Achtlosigkeit. Wir haben hier die Chance, etwas Bedauerliches zurückzunehmen.

In der dritten Phase wird zum Ausdruck gebracht, wie andere uns verletzt haben. Dabei ist eine liebevolle Redeweise — zumindest von seiten der Erwachsenen — entscheidend. Es geht um Heilung, nicht um Rache. Wichtig ist auch, daß die anderen aufmerksam und mitfühlend zuhören. Nicht mehr und nicht weniger.

Es wird nicht kommentiert, beschuldigt oder gestritten. Es wird weder gerechtfertigt noch widerrufen. Selbst wenn wir eine völlig andere Wahrnehmung der Ereignisse haben, kommt es in dieser Zeremonie darauf an, zu schweigen. Später können wir in Ruhe unsere Sichtweise darlegen, wenn uns das notwendig erscheint.
Das Ritual wird mit einem Lied oder schweigend beschlossen. Dabei sollten sich alle an den Händen fassen.«*
(Gisela Preuschoff)

aus: Das friedliche Klassenzimmer, Stolz Verlag  

 

 



Kommentare zu diesem Beitrag:
von Hanna (13. Januar 2014, 22:27):
"Einander zuhören und schweigen" ist genau das, was besonders in der heutigen Zeit fehlt. Kaum sagt jemand etwas, das nicht zum üblichen Ton passt, wird er sofort niedergemacht und zum Schweigen gebracht.
 



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