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Gedanken zum Schulbeginn

 
03. August 2009
Gedanken zum Schulbeginn
Kategorie: Besser lernen

foto: pixelio

Zum Schulbeginn

Liebe Lehrer, liebe Eltern!

Schulisches Lernen bedeutet, sich einen Stoff geistig einzuverleiben. Dieser Prozess wird in Gang gesetzt durch aufmerksames Lesen, Wiederholen und Memorieren. Es mag für Schüler bequem sein, Kästchen anzukreuzen, man trifft per Zufall oft das richtige und ist schnell mit seinen Aufgaben fertig. Es mag auch bequem sein, einen Text bloß mal eben durchzulesen und ihn dann als »erledigt« in einer Mappe abzuheften. Unterhaltsam ist auch das beliebte »Diskutieren« über komplexe Sachverhalte, die man doch erst kennenlernen müsste, ehe man dazu eine Meinung haben kann. Ernsthaftes Lernen und leerer Aktionismus sind auf den ersten Blick kaum voneinander zu unterscheiden.

Das Lesen von Texten sollte stets begleitet sein von Fragen, die exakte Antworten verlangen. Das regt zum Nachdenken an. Um das aufmerksame Lesen und Mitdenken kommt der Schüler nicht herum, wenn er weiß, dass er anschließend Fragen beantworten soll — ein Ziel jedes schulischen Unterrichts! Fragen sollen ausführlich und in gut formulierten, ganzen Sätzen beantwortet werden. Jeder Sachunterricht ist zugleich auch Deutschunterricht. Antwortsätze sollten orthographisch und grammatisch korrekt sein. Denken und Sprache hängen eng zusammen. Oberflächlich in Bildern, Schlagwörtern oder Satzfragmenten zu denken ist keine Kunst, die an der Schule eigens gelernt werden muss. Exaktes Formulieren aber sehr wohl.
Richtiges und ganzheitliches Lernen kostet Zeit. Der Weg aber sei unser Ziel! Verweilen wir, wo es nötig ist. Auch Pausen gehören zum Fortschreiten und Verstehen. Der Schüler soll sich Zeit nehmen und Antworten mit Sorgfalt formulieren. Die Erwachsenen wiederum bitte ich, sich Zeit zu nehmen, um auf die individuellen und vielfältigen Antworten einzugehen. Freilich, schablonenhaftes Abhaken von Multiple-Choice-Tests ist rasch erledigt. Aber welchen Gewinn haben wir davon? Keine noch so große Zeitersparnis rechtfertigt dieses Tun, denn es bringt dem Schüler keinerlei nennenswerten Zuwachs an Erkenntnis und Können.

Das pädagogische Credo vom »selbständigen Lernen« wollen wir nicht absolut setzen. Dogmatische Glaubensformeln richten nicht nur in der Pädagogik Schaden an. Bleiben wir offen und auf das Lebendige gerichtet. Kinder können, wenn sie lernen, dies gar nicht anders als »selbständig« tun! Wer das Denken nicht selbst erledigt, sondern anderen überlässt, hat auch nichts gelernt. Jedes Schulkind wünscht sich rege Anteilnahme durch den Erwachsenen, denn allein diese gibt dem Lernen einen Sinn und motiviert zum Durchhalten sogar in schwierigen Situationen. Gleicht das Kind darin nicht uns selbst, die wir uns täglich aufs Neue dazulernend durchs Leben mühen? Auch wir Erwachsenen möchten unsere täglichen Anstrengungen von unserer Umgebung gewürdigt wissen! 

Karin Pfeiffer

 


Kommentare zu diesem Beitrag:
von K. Moitje (06. August 2009, 19:41):
Guten Tag Frau Pfeiffer-Stolz,

Ihre Anmerkungen sprechen mir aus der Seele, und ich möchte sie mit einem Praxisbeispiel ergänzen sowie mit Ausführungen aus einem Buch von Herrn Dr. Klippert erweitern: Methodentraining, 13.Auflage, Weinheim und Basel 2002.

Vollständige und einfache Sätze schreiben sollte doch von Kindern einer 5. RS-Klasse erwartet werden können. Die Kinder meiner neuen Klasse (2006) konnten zwar in der Mehrzahl ihre Namensschilder kreativ gestalten, scheiterten aber mehr oder weniger daran, vier vollständige Sätze in ihren Steckbrief zu schreiben.
Mit dem Hinweis, die Sätze auch lebendig zu gestalten, waren alle überfordert. Die Aufgabe war vorher anhand von zahlreichen Beispielen besprochen worden.

So nebenbei: Vier Kinder aus dieser Klasse hatten in der Grundschule im Fach Deutsch eine Zwei erhalten.

Selbstständiges Lernen ist heute in aller Munde. Schüler müssen es vor allem in den so genannten offenen Unterrichtsformen beherrschen, wenn sie erfolgreich lernen wollen.
Selbstständiges Lernen fliegt aber nicht vom Himmel, sondern muss den Schülern als Methodenkompetenz oft äußerst mühsam und in kleinen methodischen Schritten vermittelt werden.
Herr Dr. Klippert stellt in seinem Buch fest, dass Schüler wenig Methode haben (S.22).
Mehr als 50 Prozent der Schüler führten ihre Lernschwierigkeiten maßgeblich darauf zurück, dass ihnen die nötigen Methoden und Techniken zur Planung und Steuerung ihres eigenen Lernens fehlten.

"Gelernt wird irgendwie, aber meist ohne klares Konzept. Das führt vor allem bei lernschwächeren Schülern zu ausgeprägtem Lernversagen."

Anm. von mir:
Gibt es evtl. einen kausalen Zusammenhang zwischen den vielen Schulversagern oder den vielen Kindern mit Lerndefiziten im Lesen, Schreiben und Rechnen und den in der Schule praktizierten "modernen" Lernmethoden?

Dr. Klippert zählt auch das richtige Führen von Heften und Mappen zu den Methoden.

Er führt weiter aus:

"Offene Lernformen wie Wochenplanarbeit,Freiarbeit, Projektarbeit, Gruppenarbeit und andere Spielarten des eigenverantwortlichen Lernens sind zum Scheitern verurteilt, wenn den Schülerinnen und Schülern die entsprechenden Instrumente und Routinen fehlen."

Ich kann Herrn Dr. Klippert nur uneingeschränkt zustimmen.

Herzliche Grüße

K. Moitje




 



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