Eltern und Lehrern ins Poesiealbum geschrieben: Da sitzen Kinder rund um einen Tisch, vor sich Schüsseln mit der köstlichen Mahlzeit, die sie zu sich nehmen. Da tritt ein Knabe dem neben ihm sitzenden Kind unter dem Tisch gegen das Schienbein. Das ist, was man nicht sieht. Da schreit das getretene Kind laut auf. Der Schmerzreflex läßt es über dem Tisch nach dem Angreifer schlagen. Das ist, was man sieht. Mit unerbittlicher Konsequenz erfüllt sich nun das Gesetz, dem alles Leben gehorcht. Der Knabe, der sichtbar über dem Tisch zurückgeschlagen hat, wird bestraft. Des Ortes gemeinsamer Nahrungsaufnahme verwiesen, muß er unter Schimpf und Schande hungrig zu Bette gehen. Jener aber, der im Verborgenen den Angriff listig vorbereitet und durchgeführt, bekommt, was er begehrt hat: Zuwendung und die volle Schüssel des aus der Runde Ausgestoßenen. Auf diese Weise wird uns vergolten, was wir tun oder was wir lassen, sei es nun das Gute oder das Böse. Darauf kommt es nicht an. Was einzig zählt ist, ob man es sieht oder nicht sieht. Karin Pfeiffer |