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Rechtschreibregeln führen zu Fehlern

 
03. August 2010
Rechtschreibregeln führen zu Fehlern
Kategorie: Schriftkultur
 

Verunglückt: Rechtschreibregeln

Unter die Rubrik »Verwissenschaftlichung« des Unterrichts gehören auch zahlreiche, Rechtschreibregeln, deren Formulierung eindeutig mißglückt ist. Diese haben seit 1996 nach und nach in die Pädagogik Eingang gefunden, wo ihnen ein langes Leben beschieden sein dürfte.
Gesehen kürzlich auf einer Schulbuchausstellung: Ein Plakat, ersonnen zum Zweck der visuellen Unterweisung und als Begleitmedium zu einem Rechtschreiblehrwerk für Grundschüler, verkündet folgenden sinnschweren Satz, der hiermit wörtlich wiedergegeben sei:

»ß folgt nur nach einem langen Selbstlaut oder nach au, ei, eu.«

Man kann nicht sagen, daß dieser Merksatz im eigentlichen Sinne falsch wäre (siehe das Wörtchen »nur«). Aber richtig ist er auch nicht. Diese Regel schließt diverse orthographische Heimsuchungen nicht aus, ja sie fordert bei gewissenhafter Anwendung geradezu Schreibweisen wie Hauß (Haus) und Kreiß (Kreis) heraus. Solche gar nicht seltenen Fälle werden durch den sich universell darstellenden »Merksatz« nicht ausgeschlossen.

Wieviel praktischer war da doch die Regel »Doppel-s am Schluß gibt Verdruß.« Diese Regel war auch eine, die den Namen verdiente. Denn sie galt ohne Ausnahme. Das gab Sicherheit und schloß wenigstens für die Endposition im Wort eine der jetzt bestehenden drei Möglichkeiten (ss, s, ß) aus.

Ich sprach daraufhin die den Verlag vertretende Dame an, eine Endzwanzigerin, und wies darauf hin, daß ein fleißiges und gehorsames Kind bei korrekter Anwendung dieser Regel auch Erdbeereiß schreiben werde. Die Dame wehrte zuerst lachend ab in der Meinung, sie höre einen schlechten Witz. Als ich meinen Einwand wiederholte und mit mehreren praktischen Beispielen belegte, wuchs doch etwas Irritation. Sie blickte das Plakat eine Weile an, sagte aber nach einer Pause mit deutlicher Abwehr in der Stimme und wegwerfender Handbewegung: »Ach, ich weiß auch nicht, wie wir das früher gelernt haben!« Damit war für sie das Gespräch beendet.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis man die „wissenschaftlichen" Wege in der Pädagogik als untauglich erkennen wird. Bis dahin hängen Plakate wie das oben erwähnte in vielen Klassenzimmern und verführen unschuldige Kinder dazu, sich in kreativer s-Schreibung zu betätigen.




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