Wie man Kinder zu Sprachtüchtigkeit erzieht? Möglichst so, daß sie es gar nicht merken. Und wann merken sie es nicht? Wenn Spracherziehung Teil der Kommunikation ist. Ein Beispiel: Nach dem Einkaufen fahren die Mutter und ihr fünfjähriger Sohn im Auto nach Hause. Es ist Winter, auf der verschneiten Fahrbahn kommen sie nur langsam voran. Während der Fahrt schaut das Kind aus dem Seitenfenster und beobachtet etwas, das er seiner Mutter aufgeregt mitteilt. »Da war eben ein Junge, der hat unseren Wagen mit einem Schneeball geworfen, aber er hat nicht getroffen.« Es heißt natürlich »beworfen«. Die Mutter wünscht sich, daß ihr Sohn grammatisch korrektes Deutsch lernt. Ihr erster Impuls ist deshalb, das Kind zu belehren. Sie besinnt sich jedoch, weil ihr intuitiv klar ist, welchen Widerwillen der Mensch entwickeln kann, wenn er sich ständig trockene Belehrungen anhören muß. Erfolgreicher ist da schon der Versuch, den Nachahmungstrieb zu wecken, der in uns Menschen steckt. Also sage die Mutter: »Ja so was, hat dieser Lümmel uns wirklich mit einem Schneeball beworfen?» »Ja«, ruft da das Kind, und eifrig fügt es hinzu, damit die Mutter es ja nur mitkriegt: »Er hat uns be-worfen.« ________ Der Mensch läßt sich nicht gern belehren, denn belehrt zu werden, kann in manchen Situationen als persönliche Abwertung empfunden werden. Gelegentlich kann man beobachten, daß belehrte Kinder aus Trotz die falschen Worte weiterbenutzen, damit verteidigen sie ihre (vermeintlich) verletzte Würde. Gerade in der Schule ist das ständige Belehrtwerden, dem die Schüler ausgesetzt sind, nicht gerade förderlich für deren Lernhaltung, wiewohl es sich aufgrund der Organisationsstruktur des Unterrichts nicht ganz vermeiden läßt. Hier ist das Taktgefühl des Lehrers die steuernde Größe. Grundsätzlich bewirkt der Lehrer am meisten, wenn seine eigene vorbildliche Handhabung von Sprache und Schrift die Schüler unbewußt zur Nachahmung motiviert. Jemand hat die unbemerkt hinter dem eigentlichen Unterrichtstoff ablaufenden Lehr- und Lernvorgänge den »heimlichen Lehrplan« genannt. Karin Pfeiffer |