Man soll sich davor hüten, Schuldzuweisungen immer nach außen und somit auf andere verschieben zu wollen. Auf diese Weise nimmt man sich selbst billigerweise vom Geschehen aus, koppelt sich von der Welt ab, erhebt sich über alles. Man betrachtet sich selbst als das Bessere, vielleicht sogar als das Perfekte mithin. Das tut wohl, und doch wird der Stachel der Unwahrhaftigkeit spürbar. Ein Beispiel ist der vielgescholtene Achtundsechziger. Als Metapher für alles Mißlungene und Verachtungsvolle muß er herhalten. Aber, der Achtundsechziger, das ist nicht der andere, das sind wir selbst. Das anarchistische, oppositionelle, zerstörerische und gleichzeitig sich als das Bessere aufspielende Gefühl führt bis zum heutigen Tag ein zeitgeistiges Dasein in Köpfen und Herzen derer, die in jener Epoche jung gewesen sind. Und damit nicht genug. Auch in den Nachgeborenen finden sich Spuren davon. Achtundsechzig, das ist überall. Das ist jeder. Wer will sich davon freimachen? Selbstbesinnung tut not, um seinen winzigen, ja unerheblichen Platz im Weltgeschehen akzeptieren zu können. Demut und menschliche Würde sind eng miteinander verknüpft, ja eins ist ohne das andere nicht denkbar. Demut führt zu gelassener Welterkenntnis. Demut läßt einen ausharren an jenem Ort, wohin einen das Schicksal gestellt hat. Hic Rhodos, hic salta! Mach keine Sprüche, sondern das beste aus deiner jeweiligen Lage! Das kannst du überall. Für den Mut, anzuerkennen, daß da etwas stärker ist als man selbst, wird uns etwas Wertvolles geschenkt: geistige Freiheit. Der Achtundsechziger in uns will die eigenen Grenzen nicht wahrhaben. Er begehrt auf, er schwingt die Fäuste wie ein Kind, wenn sich nicht alles nach seinem Kopfe entwickelt. Und er beschuldigt stets die anderen für sein persönliches Unbehagen. Wisse: Der Lösung dringender Probleme, sowohl im Privaten als auch im Gesellschaftlichen, kommt nicht näher, wer ständig auf der Suche nach Schuldigen ist, sondern jener, der still und beherzt anpackt, was anzupacken ist. |