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Zuerst den Schnee wegfegen!

 
08. April 2009
Zuerst den Schnee wegfegen!
Kategorie: Besinnliches

 

Ein altes Märchen
Eine Frau hatte gehört, daß ein Einsiedler im Wald unter dem Schnee reife Erdbeeren habe. Da gab sie ihrer ältesten Tochter den Auftrag, in den Wald zu gehen und von den Erdbeeren zu holen. Als die Tochter dem Einsiedler ihren Auftrag ausgerichtet hatte, da antwortete er: »Sei so gut und kehre mir dort zuerst ein wenig den Schnee fort, damit ich die Vögel füttern kann.« — »Was gehen mich die Vögel an«, antwortete sie, »ich möchte die Erdbeeren haben.«
Da ließ sie der Eremit sie unverrichteter Dinge heimgehen.

Nun sandte die Frau ihre Stieftochter mit dem gleichen Auftrag. Wieder gebot der Einsiedler, den Schnee für die hungernden Vögel fortzukehren. Ohne sich auch nur einen Augenblick zu besinnen, griff das Mädchen nach dem Besen und begann eifrig, den Schnee beiseite zu kehren — es vergaß ganz die Erdbeeren und dachte nur noch an die hungernden Vögel. Unter dem Schnee erschienen unversehens die Erdbeeren, und das Mädchen durfte so viel davon mitnehmen, wie es wollte.* 

Dieses Märchen sagt uns, auf welche Weise der Mensch seine Ziele erreicht. Belohnt wird, wer sein Handeln auf Umwegen erreicht. Diese Umwege heißen Rücksicht, Hingabe, Zuwendung. Abkürzungen bringen nicht das gewünschte Ergebnis, sie erzeugen Enttäuschung und Leid.

Das Märchen sei ein Becher Trost, an dem sich jene Verzagten laben sollen, die meinen, nichts gegen den erdrückenden Strom des aktuellen Lebens ausrichten zu können. Wir empfinden in diesen Tagen alle, wie wir mitgerissen werden von etwas, das größer und stärker ist als wir selbst. Doch wie machtlos wir auch in bezug auf das Ganze sein mögen, dort, wo wir eingebettet sind in die Gesellschaft, besitzt unser Handeln sehr wohl große Wirkkraft. Jede unserer täglichen Lebensäußerungen und Entscheidungen hat tausendfach Auswirkung auf unsere nächsten Mitmenschen. Als Eltern, Lehrer, Schüler, Nachbarn, Untergebene oder Vorgesetzte, Verkehrsteilnehmer, Freunde, Käufer oder Verkäufer ... überall tragen wir mit unserem Verhalten den anderen gegenüber dazu bei, ob das eigene Leben und damit das der anderen gelingt. Es ist müßig, sich ständig über schlechte gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu beklagen, die man doch nicht ändern könne. Gewiß, manches ist eine Zumutung, vielem muß man sich beugen, und es scheint nichts besser zu werden!

Wer aber immer nur darauf wartet, daß der Wind günstig sei, vergißt, daß der liebe Gott ihm Arme gegeben hat, um die Ruder des Lebensschiffchens selbst ein wenig vorantreiben und steuern zu können. Alle positiven Veränderungen in einer Gesellschaft gehen von den einzelnen Menschen und ihren unzähligen Anstrengungen aus, mit denen sie bestrebt sind, in ihrer unmittelbaren Umgebung die praktischen Lebensbedingungen zu verbessern. Nur in bezug auf das eigene Leben können wir Veränderungen erwirken, und genau dies ist unsere Aufgabe, hierzu haben wir alle Macht: Wo du gesät, Blume — dort blühe!

Jeder von uns kann sich in dieser vorösterlichen Zeit fragen, ob wir uns nicht oft ähnlich verhalten wie die älteste Tochter, die keinen Umweg zu gehen bereit ist und deshalb mit leeren Händen nach Hause zurückkehrt. Das direkte Ansteuern des Zieles trägt viel zu der Hektik bei, in der wir unsere Tage verbringen. Es ist nicht einfach, den Schnee wegzuräumen, wenn wir doch eigentlich etwas ganz anderes begehren. Jene, deren Aufgabe es ist, Kinder und Jugendliche zu unterrichten und zu leiten, sei die Bitte besonders ans Herz gelegt: lassen Sie Umwege zu! Für Umwege brauchen wir Zeit. Wir haben diese Zeit, wir müssen sie uns nur nehmen. Der vermeintliche Zeitverlust verwandelt sich mittel- und langfristig in eine kostbare Frucht, die allen Beteiligten zugute kommt. Also: kehren wir emsig den Schnee fort, für die Vögel!

Karin Pfeiffer

*Das Märchen ist folgendem, lesenswerten Buch entnommen: 
Friedrich Wilhelm Foerster, Lebensführung; Reichl Verlag, St. Goar

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