Buchsuche:
  Startseite
 
Tagebuch:
mal ernst, mal heiter
Kunden in der Schweiz Kunden in Österreich Der Stolz Verlag stellt sich vor Kontakt  

Montagsgedanken

 
24. Oktober 2010
Montagsgedanken
Kategorie: Schule

Selbständiges Lernen

Kinder treiben, kaum sind sie sich selbst überlassen, »Unfug« anstatt zu lernen. Wer hätte diese Erfahrung nicht schon gemacht? Da hat man ihnen wunderbares Material ausgehändigt, hat ihnen das Nötige erklärt, und die fröhliche Ermunterung ausgesprochen: »Mit diesen wunderbaren Sachen könnt ihr jetzt lernen!«
Kaum hat man sich weggedreht, machen die Plagen Unsinn oder tändeln herum.

Der Mensch ist ein geselliges Wesen.

Alleinsein ist für viele eine Zumutung. Kindern macht das Alleinsein Angst, umso mehr, je jünger sie sind. Ein Säugling wäre verloren, wenn kein Erwachsener sich um ihn kümmerte, rund um die Uhr, Tag und Nacht. Von einem Säugling Selbständigkeit zu erwarten, so etwas wird niemandem ernsthaft einfallen. Selbständigkeit erstarkt mit zunehmendem Alter — als Ergebnis gelungener Sozialisation. Selbständigkeit ist keine Verstandesleistung und kann daher nicht mittels Lernprogrammen unterrichtet werden, obwohl dies vielfach versucht wird.
Sozialisation muß gelebt werden, verantwortlich handelnd und durch Erfüllung von Aufgaben für die und in der Gemeinschaft. Mündigkeit entfaltet sich beim Erkunden der Welt, beim Austesten der Möglichkeiten und Grenzen. Selbständigkeit kann weder anerzogen noch beschleunigt werden, sie entsteht auch nicht durch Wegschauen und Gewährenlassen. Was Eltern und Lehrer tun können: gute Rahmenbedingungen schaffen, die der Entwicklung zur Selbständigkeit förderlich sind.

Alles Lernen basiert auf Nachahmung.

Unsere kulturellen Einrichtungen — wie zum Beispiel Sprache und Schrift — sind kein genetisch in jedem Kind verankertes Programm, das sich ohne Zutun von selbst entfaltet. Kulturtechniken müssen jeder Generation aufs neue vermittelt und vom einzelnen Kind mehr oder weniger mühsam erlernt werden. Der häufig praktizierte Verzicht auf Sachvorbild und klare pädagogische Lenkung — wie es z.B. bei der Methode »Lesen durch Schreiben« praktiziert wird — ergibt keinen Sinn. Die zeitraubende Phase des Versuchs und Irrtums können wir den Kindern ersparen. Besitzen wir etwa nicht eine genormte, funktionierende Schrift, die es zu vermitteln gilt? Denn im Gegensatz zur Selbständigkeit als Charaktereigenschaft ist die Kunst des Lesens und Schreibens durch Unterricht vermittelbar.

Werden die korrekten Formen des Alphabets und der Orthographie den Schreibanfängern nicht Schritt für Schritt gezeigt, so führt diese Methode zu individuell unterschiedlichen Verschriftungsformen. Deren Wert für die Kommunikation ist gleich null: Wer soll denn das Geschreibsel lesen können, das oft nicht einmal vom Kind verstanden wird? Die Schreibexperimentierphase in den ersten Schuljahren ist nicht nur Zeitvergeudung, sie ist pädagogisch durchaus wertlos.

Alles, was wir können, haben wir unseren Mitmenschen abgeschaut. Alles, was wir in Anspruch nehmen, haben unsere Vorfahren geschaffen. Uns selbst bleibt lediglich die Aufgabe, das bereits Vorhandene auszubauen und gegebenenfalls zu verbessern (es geht leider auch umgekehrt!). Auf höheren Stufen der Aneignung von Fertigkeiten ist ebenfalls das gute Vorbild für Motivation und Anstrengungsbereitschaft maßgeblicher Faktor für das Lernen.

Kinder hören gern Märchen.

Erwachsene aber auch! Wie sonst wäre zu erklären, weshalb der Wunderglaube für wahr gehalten wird, Schulkinder könnten sich die Kulturtechniken Lesen und Schreiben am besten und schnellsten dadurch aneignen, indem sie mit einer hübschen Anlauttabelle und einem Stapel bedruckter Arbeitsblätter alleingelassen werden? Nun schreibt mal was, Kinder!
Was sollen wir denn schreiben?
Was ihr wollt!

Sie wollen nicht. Wieso wollen sie denn nicht?


foto: erysipel, pixelio

 
 

 



Kommentare zu diesem Beitrag:
von B. Metzger (24. Oktober 2010, 20:21):
Ja, das ist die Frage: Warum wollen sie nicht? Ganz einfach: Weil sie das nachmachen und anwenden wollen, was Erwachsene ihnen vorher zumindest an notwendiger Technik erst einmal beigebracht haben. Danach wollen Kinder dann das Erlernte nur zu gern selbst anwenden - am liebsten x Mal -, um sich und anderen zu zeigen, was in ihnen steckt, was sie jetzt allein, ohne fremde Hilfe und immer besser zustande bringen.
Die Frage "Was sollen wir denn schreiben?" kann jeder, der will, intuitiv richtig verstehen, wenn ihm nicht weltfremde Lehr- oder Lerntheorien im Wege stehen. Eine gewisse Hilflosigkeit und der Wunsch nach Anleitung stecken in ihr. "Was soll ich denn machen?", kennen wir aus eigener Erfahrung nur zu gut als Zeichen unserer Unsicherheit und der Bitte um Rat. Wie finden wir es dann, wenn jemand antwortet: "Mach, was du willst!" Sind wir dann ermutigt und voller Tatendrang oder haben wir nicht vielmehr den Eindruck, der andere habe kein Interesse an uns und lasse uns darum abblitzen.
Ich frage mich immer wieder, warum Eltern, Lehrer und Erzieher die Kinder immer schlechter verstehen und immer mehr irgendwelchen Erziehungs- und Bildungstheorien nachlaufen, die unters Volk und die Politik gestreut werden, weil ihre Urheber ach so bekannte Experten sind, die Zugang zu den Medien und damit zur Meinungsmache haben. Die wahren Experten sind doch nach wie vor die Eltern, Erzieher und Lehrer - vorausgesetzt, sie trauen bzw. vertrauen sich selbst und verstehen darum die Sprache der Kinder weitaus besser als viele Fachleute, die Kinder gern zu Prototypen ihrer nicht ganz unvoreingenommenen Vorstellung machen.

Ihnen, liebe Frau Pfeiffer, auch von meiner Seite aus endlich einmal herzlichen Dank! Sie haben schon so oft und so viel besser das gesagt, was ich immer sagen will, dass ich nicht umhin komme, heute endlich einmal einen Leserbrief zu schreiben.

Ihre B. Metzger




 

Nach oben

Tagebucharchiv:
März 2017
Februar 2017
November 2016
September 2016
Mai 2016
April 2016
März 2016
Februar 2016
Januar 2016
November 2015
Oktober 2015
August 2015
Juli 2015
Juni 2015
Mai 2015
März 2015
Februar 2015
Januar 2015
Dezember 2014
November 2014
Oktober 2014
September 2014
August 2014
Juli 2014
Mai 2014
März 2014
Januar 2014
Dezember 2013
November 2013
Oktober 2013
September 2013
August 2013
Juli 2013
Juni 2013
April 2013
März 2013
Februar 2013
Januar 2013
Dezember 2012
November 2012
Oktober 2012
September 2012
August 2012
Juli 2012
Juni 2012
Mai 2012
April 2012
März 2012
Februar 2012
Januar 2012
Dezember 2011
November 2011
Oktober 2011
September 2011
August 2011
Juli 2011
Juni 2011
Mai 2011
April 2011
März 2011
Februar 2011
Januar 2011
Dezember 2010
November 2010
Oktober 2010
September 2010
August 2010
Juli 2010
Juni 2010
Mai 2010
April 2010
März 2010
Februar 2010
Januar 2010
Dezember 2009
November 2009
Oktober 2009
September 2009
August 2009
Juli 2009
Juni 2009
Mai 2009
April 2009
März 2009
Februar 2009
Januar 2009
Dezember 2008
November 2008
Oktober 2008
September 2008
August 2008
Juli 2008
Juni 2008
Mai 2008
April 2008
März 2008
Februar 2008
Januar 2008
Dezember 2007
November 2007
Oktober 2007
September 2007
August 2007
Juli 2007
März 2007
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006

Veranstaltungen:



[ Seite weiterempfehlen | Seite zu Favoriten hinzufügen | Druckversion dieser Seite anzeigen ]