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Der Zauber von Geschichten

 
01. August 2007
Der Zauber von Geschichten
Kategorie: Besinnliches

Das Leben ist eine Geschichte
Menschen auf der ganzen Welt hören gern Geschichten. Wir erzählen einander im Gespräch täglich kleine Geschichten. Die Bibliotheken der schriftkundigen Völker sind voller Geschichten – mehr als jemals ein einziger Mensch lesen könnte! Magische, komische und alltägliche Geschichten formen von Klein auf unser Denken und prägen Denken und Einstellung. Dies ist uns nicht bewußt.
Alle Religionen offenbaren sich durch spannende und bewegende Episoden, die von Generation zu Generation weitererzählt werden. Sie dienen der Lebensbewältigung. Gelernt wurden an den Schulen ehedem nicht nur ABC und Einmaleins, sondern auch »rechtes Leben« mittels religiöser Geschichten. Auch der weltliche Lernstoff präsentierte sich erzählerisch. Das Fach Geschichte wird bis heute in der Schule nur dann als spannend erlebt, wenn der Lehrer packend zu erzählen weiß.

Die Geschichten sind in Gefahr! Sie werden hinweggeschwemmt durch eine Flut von Bildern sowie einem berechnenden, kalten Verstand. Wir haben noch nicht begriffen, wiesehr uns dies aushöhlt und langweilt. Der Mensch braucht Märchen, Mythen, Alltagsgeschichten. Sie allein sind dazu imstande, sein Herz zu erreichen, ihn emotional zu berühren. Weil seine Gefühle geweckt werden, kann er über die Botschaft der Geschichte nachdenken. Weil er fühlt, vermag er zu denken. Geschichten helfen dem Menschen, seine Welt zu ordnen – und Orientierung hat er dringend nötig, denn die Welt selbst präsentiert sich ihm als Chaos. Es ist seine Aufgabe, dieses Chaos in eine Ordnung zu bringen. Jeder Mensch findet seine eigene Ordnung. Deshalb ist eine bestimmte Geschichte nicht für alle Menschen dieselbe - jeder interpretiert sie auf seine Weise. Niemand vermag uns die Arbeit der Weltorientierung abzunehmen. Jeder Mensch, ob klein oder groß, muß selbst aktiv werden. Geschichten bilden darin die wirksamsten und daher unentbehrlichen Wegweiser.

Gebt den Kindern die Geschichten zurück! Die moderne Pädagogik hält Geschichten für Zeitverschwendung. Wann werden wir erkennen, daß dies ein folgenreicher Irrtum ist? Der kalte Unterricht der Moderne meint, ohne Geschichten auskommen zu können. Er will - ganz der Ökonomie der Zeitersparnis verpflichtet – das Denken und Handeln der Schüler ohne Umwege formen. Dieses Anliegen aber muß scheitern; und scheitert es nicht täglich in den Schulzimmern, wo immer aufs neue frustrierte Schüler erschöpfte Lehrer ärgern? Diese fühlen sich verloren in einer Welt ohne Wegweiser, wie sie Geschichten enthalten. Jene mühen sich nach Kräften, und doch so vergeblich, die Vernunft der Kinder auf direktem Wege zu erreichen: Sie appellieren und verbieten, erklären und drohen. Verstehen sie denn nicht: bevor der Mensch »vernünftig« denken und handeln kann, muß sein Fühlen angesprochen werden! Anders ausgedrückt: Der Kopf kann nur über das Herz erreicht werden. Auf umgekehrtem Wege geht es nicht. Das Herz ist es, welches  den Takt vorgibt, den Zeitrahmen. Abkürzungen existieren nirgendwo.

Lesen und Schweigen
Natürlich wird an den Schulen immer noch gelesen und erzählt. Doch begehen die meisten Lehrer – aus Unkenntnis – einen Fehler, der die positive Wirkung jeder Geschichte sofort im Keim erstickt: sofort wird der Lesestoff gründlich diskutiert und zerredet. So kommt die Botschaft für das Herz unter die Räder des technokratisch geplanten Unterrichts. Faser für Faser wird sie säuberlich mit dem Seziermesser des Verstandes bloßgelegt und einem, vom Lehrplan definierten Zweck untergeordnet. Das »tötet« den unsichtbaren »Geist« von Geschichten, reißt ihnen das Herz aus, raubt ihnen die mystische Kraft. So wie unsere Nahrung durch die »Behandlung« in Fabrik und Küche einen Großteil ihrer ganzheitlichen Wirkstoffe verliert, so büßen Geschichten die ihnen innewohnende Zauberkraft ein, wenn wir sie mit zudringlicher Neugierde »behandeln«. Geschichten wollen nicht zer- und beredet sein. Hinzu kommt, daß die Botschaft auf jeden Menschen anders wirkt. Jeder hört eine »andere«, nämlich seine eigene, Geschichte. Ihre positive Kraft können sie unter Umständen Jahre später entfalten. Dazu bedarf es des Zutrauens und der Geduld der Erziehenden.
Wir brauchen Geschichten. Sie gehören uns selbst – jedoch nur dann, wenn niemand anderer schamlos bis in unser Innerstes eindringt und dort nach eventuellen Wirkungen sucht. Die Wirkdosis ist überdies homöopathischer Natur, man kann sie ohnehin nicht messen. Der Lehrer, der aus Schülermund hier und jetzt die gewünschte moralische oder lebenspraktische Schlußfolgerung hören möchte, verschüttet unwissentlich und sicher auch ungewollt den Zugangskanal zum Schülerherzen. Zweckgeplapper ist Zeitverschwendung!
Geschichten benötigen die Zeit der Stille, um ihre Wirkkraft zu entfalten. Hüten wir uns also davor, mit vorwitzigem und unbedachtem Gerede die einzigartige Atmosphäre einer Erzählung zu stören. Reden ist oft genug nur Lärm. Und Lärm vertreibt jeden Zauber – so auch den von Geschichten.

Karin Pfeiffer



Kommentare zu diesem Beitrag:
von Soriani Teresa (09. September 2007, 18:41):
Ich habe ihre Zeilen mit viel Interesse gelesen. Ich führe eine 4. - 6. Klasse und suche Bücher, die sich zum Vorlesen wirklich eignen oder Geschichten, die für diese Altersspanne eignen. Ich lese den Kindern immer wieder vor, mache aber die Erfahrung, dass das Zuhören für viele zu schwierig ist. So fragte ich mich, ob die Bücherwahl (Bücher aus der Bibliothek, die auch die Kinder lesen könnten) dazu nicht geeignet sind. Vielleicht wissen Sie mir interessante Vorleselektüre für dieses Alter.
Lieben Dank im Voraus
Teresa Soriani
 

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