Die bedrohte Familie „Keine Gesellschaft hat je über die Zeit Bestand gehabt, der die Familie als Grundlage des Zusammenlebens, der Zugehörigkeit und Gemeinsamkeit verloren gegangen ist. Dennoch oder gerade deswegen ist die Familie wie auch das Recht und das Privateigentum stets den Angriffen staatlicher Willkür ausgesetzt gewesen. Es gab kein totalitäres System, das sich nicht die Entmachtung der Familie zum Ziel gesetzt hätte." Beatrix Herzogin von Oldenburg ANMERKUNG DER REDAKTION: Die gesellschaftliche Entwicklung wird demjenigen Sorgen bereiten, der seinen Blick über den Tellerrand der Alltagsroutine hebt. Wenn Systeme — welcher Art auch immer — durch Fehlfunktionen geschwächt werden und zu kränkeln beginnen, findet sich die erste Bruchstelle im schwächsten Glied. Der Zerfall der Familien entfaltet Folgewirkungen als erstes an den Schulen, wo die schwächsten Glieder der Gesellschaft, unsere Kinder, gemeinschaftlich lernen sollen. Die seismographischen Verwerfungen im Gefüge des privaten Zusammenlebens wurden schon vor Jahrzehnten von Lehrern wahrgenommen. Damals meinte man noch, besonders »schwierige Fälle« mittels psychologischer Spezialbetreuung und Sonderförderung ins Normale heben zu können. Heute kann kaum noch von einer Normalität in Schulklassen ausgegangen werden: der Ausnahmezustand wird zur Regel. Klagen der Pädagogen über sich ständig verschlechternde Arbeitsbedingungen an staatlichen Schulen sind unüberhörbar, und sie werden lauter. Kinder, die ohne Schutz und Stütze einer intakten Familie aufwachsen, sind nach herkömmlichem Muster kaum noch erfolgreich zu beschulen. Lernstörungen und unangepaßtes Verhalten bestimmen den Schulbetrieb. Wollen wir die staatliche Schule weiterhin als Bildungsanstalt und nicht als Massenbeaufsichtigungsinstitut begreifen, dann muß dieser — leider politisch betriebenen — Entwicklung das entschiedene Nein der Betroffenen entgegengestellt werden. Die Lehrer an den öffentlichen Schulen sind auch in ihrem eigenen Interesse gut beraten, wenn sie sich unumwunden und in aller Deutlichkeit für den Erhalt der Familie aussprechen. Jede neue Stufe der Verschlechterung beeinträchtigt deren Arbeitsplatz negativ. Die auf den Kopf gestellten Bedingungen werden das berufliche Selbstverständnis des Lehrers ohne Zweifel zum Schlechteren verändern. Das vertraute Tätigkeitsfeld des Unterrichtens wandelt sich schon jetzt in eine weniger intellektuell anspruchsvolle als vielmehr nervenaufreibende Tätigkeit, deren Hauptaufgabe die ganztägige Beaufsichtigung und lückenlose Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen in Massenanstalten ist. Dazu müssen administrative und statistische Aufgaben erledigt werden. Das Leben unserer Kinder wird sich nach dem Willen von Politik und Gesellschaftsingenieuren bald zum Großteil in Schulgebäuden abspielen, vom Frühstück bis zum Nachmittagssnack. Die wichtigsten Kompetenzen des Lehrers liegen dann weniger in seiner Fähigkeit, Wissen zu vermitteln und Neues zu lehren, sondern in seinem Geschick zu sozialer Mediation und der Bereitschaft zu permanenten Einsätzen bei Schlichtung von Handgreiflichkeiten und dem in horizontal ungegliederten Massen unvermeidlichen Mobbing. Schon lange ist ein Wandel des Berufsbildes »Lehrer« vom Wissensvermittler zu dem des »Pädagogischen Beamten« im Gange. Neben seiner praktischen Aufsichtstätigkeit ist er im wesentlichen mit Papierkram beschäftigt. Erstrebenswerte Aussichten? Was tun? Karin Pfeiffer |