Szene II (2009) Im Kindergarten. Eine ältere Frau wurde in der Vorweihnachtszeit gebeten, im Kindergarten auszuhelfen, weil eine Kindergärtnerin erkrankt ist. Sie begibt sich mit drei Mädchen und zwei Jungen in einen kleinen Gruppenraum, um ihnen etwas zu erzählen. — Stellt euch vor, ich habe eben das Christkind gesehen! Kinder rufen, lachen, kichern. Sie fragen durcheinander. — Wo denn? — Warum ist es nicht dageblieben? — Das glaub ich dir nicht! — Ich auch nicht. Das Christkind gibt's doch gar nicht. — Doch, das gibt es — nein — ja — nein ... Die Frau greift ein und bringt die Kinder zur Ruhe. Sie weist zum Fenster hin. — Schaut mal, dort am Fenster, da liegt doch was! Unter Entwicklung von viel Geräusch entdecken die Kinder fünf in Seidenpapier eingewickelte Schokoladenplätzchen. Keines der Kinder fragt etwas, deshalb erzählt die Frau weiter. — Die hat das Christkind verloren. Es sagte zu mir: die sind nur für die braven Kinder hier. — Ich bin brav! Ich auch! Ich auch! Die Frau verteilt die Plätzchen, bittet jedoch gleichzeitig darum, mit dem Naschen noch etwas zu warten, denn himmlische Dinge solle man nicht sofort in den Mund stopfen. — Ooch, warum denn? — Hat das das Christkind gesagt? — Sag mal, war wirklich das Christkind da? — Ich möchte es aber jetzt essen! — Ich auch, ich auch! Die Frau hat Mühe, die Kinder zu bändigen. Zwei knuffen sich und fangen an zu balgen. Sie werden zurechtgewiesen. Die Frau sagt: — Wir wollen jetzt ein wenig rechnen. Und wenn wir damit fertig sind ... — Wo ist denn das Christkind hingegangen? — Weggeflogen! Hini — Wo soll das denn rausgeflogen sein! — Na durchs Fenster halt. — Ach sooo. — Das ist ja sowieso kein Plätzchen vom Christkind. Die gibt es beim Aldi. — Woher willst du das wissen? — Weil wir die auch zu Hause haben. — Ich will das Plätzchen nicht. Christkind ist doof. — Christkind. Babykram. Zwei Kinder haben das Papier schon abgewickelt und kauen. Die anderen beäugen die Gabe unschlüssig, irgendwie ist die Stimmung verdorben. Die Frau ist enttäuscht. Die Kinder sind enttäuscht. Sie gehen an den Tisch, wo die Rechenkiste steht und beginnen zu rechnen.
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